Der Band (Arbeitstitel: Das Unbewußte ...) in dem dieser Text publiziert wird, erscheint voraussichtlich im Frühjahr 2004 im Psychosozialverlag Gießen, hrsg. von Gödde/Buchholz.

Wir danken den Herausgebern für die Erlaubnis, das Textmanuskript an dieser Stelle zu veröffentlichen.

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Peter Fuchs

 

Das Unbewußte 

 

Das Unbewußte (in dieser Fassung: als Subjekt eines Satzes, als Substantiv, das auch in die Objektstellung eintreten könnte[1]) ist eines der flirrendsten und zugleich oder deswegen wirkmächtigsten Wörter der Moderne. Es bezieht seinen Sinn aus der Opposition zum Bewußtsein, ist aber nicht einfach das, was das Bewußtsein nicht weiß, sondern scheint begriffen zu werden als das, was das Bewußtsein konstitutiv für es selbst nicht wissen kann und darf. Es wird als Strukturmoment des Psychischen aufgefaßt, ohne daß dies Psychische Zugriffschancen hätte auf das, wodurch es ermöglicht wird. Das Flirrende des Wortes zeigt sich jedenfalls darin, daß die Psychoanalyse und die Psychotherapien, die auf sie zurückgreifen, ferner nicht unbeträchtliche Teile der Psychologie inklusive Psychiatrie eine ganze Menagerie von Deutungsmöglichkeiten entworfen haben, die die Orientierung außerordentlich erschweren und es einerseits wünschenswert machen, auf das Wort verzichten zu können. Andererseits kommt man kaum darum herum, daß das, was man mit dem Begriff des Unbewußten einhegen, vielleicht domestizieren wollte, nicht so einfach aus der Welt zu schaffen ist. Im Diskussionsraum steht die Behauptung jeder Menge empirischer Evidenzen für eine ‚Macht‘, die Informationen verarbeitet, ohne selbst bewußt zu werden.[2] Der Ausfall oder die Perversion solcher Informationen führt offenbar zu massiven Irritationen bei den davon betroffenen Individuen.[3] Und schließlich: Seit Freud ist dieses Wort in einer psychisch reizbaren Gesellschaft alltäglich geworden, nicht nur darin, daß es allenthalben benutzt wird, sondern vor allem darin, daß das, was es bezeichnet, eine eigentümliche Beobachtungstechnik in der Gesellschaft ausgestreut hat, die bei jedem Beobachten von Beobachtern die Option bereithält, zu unterstellen, daß der beobachtete Beobachter sich so wenig vollständig beobachten kann wie derjenige, der ihn observiert. Es ist selbstverständlich und sozial evident geworden, daß niemand über einen perfekten Selbstzugriff verfügt und daß jeder aus dem heraus, worauf er nicht zugreifen kann, determiniert sein könnte.

Das bedeutet, daß das Wort (wenn es denn noch keinen Begriff bezeichnet) vorab nicht zu durchkreuzen ist. Oder doch? – Die Frage, die in den folgenden Überlegungen, als Leitfrage genommen wird, lautet: Was könnte die soziologische Systemtheorie der neueren Bauart zu dem sagen, was das Unbewußte genannt wird? Müßte es, von ihr aus gesehen, nicht zu einer Radierung, Durchstreichung oder wenigstens zu einer Durchkreuzung kommen?[4]

 

I

 

Achtet man auf den wichtigsten Promoter der Theorie des Unbewußten, nämlich auf Sigmund Freud, so ist die Bezeichnung des Unbewußten tatsächlich an die Unterscheidung zwischen bewußt und unbewußt geknüpft.[5] Formtheoretisch hat man es bei dieser Bezeichnungsleistung mit einer Unterscheidung zu tun, deren Einheitsbegriff der Unterscheidung selbst entnommen wird. Die Operation, die die Unterscheidung ausnutzt, um das Unbewußte zu bezeichnen, kann nur eine bewußte Operation sein, vergleichbar etwa der System/Umwelt-Unterscheidung, deren Einheit das System ist, oder der Immanenz/Transzendenz-Unterscheidung, die immanent in Betrieb gesetzt wird. Das Unbewußte kann sich nicht selbst in sich selbst vom Bewußtsein unterscheiden, und genau das konditioniert seinen Begriff: Es kann vom Bewußtsein her nur bezeichnet werden als Indifferenz[6], als ein Bereich, in dem Unterschiede ihr Spiel spielen, nicht aber (an Zeichen gebundene) Unterscheidungen. Bezeichnet wird eine Welt quantitativer Kompromisse zwischen Kräften, die keinen Namen haben und sich selbst keine Namen, keine Bezeichnung zuteilen können, mithin weder sich selbst noch etwas anderes beobachten.[7]

Folgt man Freud, bedeutet diese Indifferenz zugleich, daß der Bezirk des Unbewußten weder Negation noch Affirmation kennt. Es wird in ihm nicht verneint, nicht bejaht, weder bezweifelt noch versichert. Im psychischen Prozeß, wie ihn Freud sieht, wird Negation und Affirmation in den Nachtrag des Zensors verschoben. Aber das Unbewußte selbst ist nichts als ein Kompendium energetischer Verschiebungen und Verdichtungen, die das Medium Sinn nicht benötigen.[8] Wo aber kein Sinn ist und keine Unterscheidung, ist auch keine Zeit. Das Unbewußte ist sinn- und deshalb zeitfrei. Es ist wie „ein Chaos, ein() Kessel voll brodelnder Erregungen“.[9] Deshalb bleibt keine andere Wahl als die Annahme, daß die Einheit der Unterscheidung von bewußt/unbewußt durch das Bewußtsein hergestellt wird, das sich damit zugleich unterscheidet von dem, was es niemals sein kann: eben unbewußt. Es konstatiert in seinem Medium (Sinn) eine Unbezeichenbarkeit, die es dennoch bezeichnet. Das kann es (als beobachtendes System) mühelos tun, aber serviert damit für Beobachter, die an Logik interessiert sind, eine schwer auflösbare und oft bemerkte Paradoxie, die nur aushaltbar ist und ausgehalten wurde durch die hypostasierende Referenz auf eine Realität (oder auf das Reelle), die ohne Beobachtung sinn- und zeichenfrei gegeben ist.[10] Eine solche Gegebenheit markiert eine aprioristische Ontologie, die mitzumachen oder zu verwerfen mittlerweile in Glaubenskriege verwickelt, denen differente Weltbilder zugrundeliegen. Man könnte auch sagen, daß das Unbewußte in der Fassungs Freuds keine (sonst wissenschaftsnormalen) Ablehnbarkeiten offeriert. Es ist kryptisch, weil sein zentrales Merkmal als ein ‚Un‘ auftritt, als Zeugnis einer Nichtbeobachtbarkeit, die das (bewußte) Beobachten strukturiert und nicht selten: heftig quält.

Jacques Lacans Reanimation dieses Unbewußten sabotiert (man müßte sagen: in einer Art barocken Weise des Kommentierens[11]) die Unterscheidung bewußt/unbewußt, indem sie das Unbewußte aus der Kontinenz (des sich Wechselseitig-Bestimmens der Unterscheidungsseiten) herauslöst und in einer sehr komplexen Weise an die Sprache bindet.[12] Es wird aus seiner Verknüpfung mit dem Bewußtsein (aus dieser bloßen Inversion) befreit.[13] Damit ist, und das dürfte eine der zentralsten Einsichten Lacans sein, das Schema, in dem das Unbewußte situiert war, in dem es sich verstehen ließ als Gegenbegriff zum Bewußtsein, gesprengt, das Unbewußte aus seinem ‚Gefilde-Dasein‘ erlöst, durch das es vor oder hinter oder neben oder über dem anderen Gefilde des Bewußtseins seine ‚Stelle‘ einnimmt. Es ist nicht mehr das, was das Bewußtsein genau nicht ist, und das Bewußtsein ist nicht mehr das, was das Unbewußte genau nicht ist.

Damit allerdings wird, wenn wir diese Spur aufnehmen, das Unbewußte zum schlechten Term. Es ist, gesehen aus beobachtungs- bzw. differenztheoretischer Perspektive, nun ein Wort, das sein Gegenwort verloren hat, ein herumirrender Signifikant, der in dieser Form gar nicht theoriefähig wäre, wenn man unter einer Theorie (summarisch genommen) ein Webewerk konsistenter Begriffe (i.e. präziser Unterscheidungen) versteht. Lacan hat eine entschiedene Witterung für dieses Problem und vollzieht die Separation des Unbewußten aus seiner bloßen Kontradiktion zum Bewußtsein, indem er das Subjekt ins Spiel bringt – gegen eine mächtige Zeitgeistströmung, die das Subjekt gerade zu eliminieren suchte.[14] Allerdings wird das Subjekt der Tradition extrem formalisiert und damit entleert: Es ist das sujet barré, das durchgestrichene Subjekt, das nicht appräsentierbar ist. Die mittlerweile kanonische Formulierung dafür: „Meine Definition des Signifikanten (es gibt keine andere) ist die folgende: ein Signifikant ist das, was das Subjekt für einen anderen Signifikanten repräsentiert.“[15]

Für unsere weiteren Überlegungen ist wichtig, daß Lacan unter Rückgriff auf Saussure und Jakobson das Unbewußte differentialistisch entwickelt und es sprechen läßt (ça parle), ein sich von Freuds Modell erheblich unterscheidendes Konzept. Die Dimension des Sozialen kommt damit weitaus stärker ins Spiel als bei Freud.[16] Es ist die Dimension einer zutiefst wirksamen (scheinbaren) Alienation. Das Unbewußte ist nicht psychisch, es ist eine seltsame Alterität.[17] Hier ergeben sich dann Beziehungen zu dem, was sich systemtheoretisch allenfalls dazu sagen läßt.

 

II

 

Die erste Annahme ist, daß der Begriff des psychische System eine eigentümliche Art der Informationsgewinnung (und der Verarbeitung von Informationen) bezeichnet: Es ist die Organisation von Wahrnehmung, die durch die Funktion des neuronalen Systems, nämlich Externalisierung, ermöglicht wird, und zwar so, daß die neuronalen Prozesse nicht selbst mitwahrgenommen (externalisiert) werden.[18] Als System ist es nicht der bloße Durchsatz von Wahrnehmungen, sondern, wenn man so sagen darf, ein zitierender Durchsatz, der in das kompakt gegenwärtigen Hören, Sehen, Riechen etc. Wiedererkennbarkeiten, Muster, Strukturen einzieht, die zwar nicht beobachtet werden müssen, aber Verhalten orientieren können.[19] Wahrnehmungen, die das Medium dieses Systems darstellen (das es in die Form der Zitation) bringt, offerieren nur „geringe Analyseschärfe“ und sind darüberhinaus kaum negierbar.[20] Außerdem sind Wahrnehmungen immer vollständig. Wahrgenommen wird nur, was wahrgenommen wird, nicht das, wovon später gesagt wird, es hätte auch wahrgenommen werden können.[21]

Es ist zunächst dieser Umstand, der im Zusammenhang mit der Organisation von Wahrnehmung den Systembegriff anwendbar macht, wenn man unter dem System die Reproduktion und Stabilisierung einer Differenz (System/Umwelt) versteht. Es ist offensichtlich so, daß Wahrnehmungen, die ein psychisches System hat, sich nicht austauschen lassen gegen die Wahrnehmungen anderer psychischer Systeme, so daß es seine ‚Realität‘ auf der einen Seite der Unterscheidung, die es realisiert, erzeugt.[22] Es ist, obwohl in jedem Moment von seiner Umwelt (hier: inbesondere der neuronalen Umwelt) abhängig, ein absolutes Inside.[23] Die Grenze zu seiner Umwelt wird so scharf gezogen, daß das System keinerlei Zugriff hat auf die Bedingung seiner Möglichkeit hat: Es nimmt nicht wahr, wie es wahrnimmt.[24] Als Merkmal des Systemischen des Systems kann auch der Umstand herangezogen werden, daß die Strukturen, Wiedererkennbarkeiten, die Muster, die die Wahrnehmungen organisieren, durch Wahrnehmungen in Anspruch genommen werden. Auch das Wiedererkennen wird wahrgenommen.[25] Und in genau diesem Verständnis ist das System geschlossen.[26]

So gesehen, ist das psychische System noch unbelastet von Prozessen, die das Medium Sinn voraussetzen. Ob Säugling, Katze oder Wollschwein – in jedem dieser Fälle ist Wahrnehmung vorausgesetzt, die sich binden, die sich strukturieren läßt und im Zuge dieser Bindung ein jeweils typisches Ordnungsformat gewinnt, das nur im Sonderfall des Säuglings im Laufe der Sozialisation mit der Fähigkeit ausgestattet wird, sinn-orientiert zu operieren.[27] Die Form des Medium Sinn ist in knapper Formulierung: selektive Verweisung.[28] Wenn das Medium Wahrnehmung von der Sinnform überzogen wird, bedeutet dies, wenn man so will, eine Art Zweitcodierung: Die Wahrnehmungen werden so eingerichtet, daß sie als bestimmte (notfalls bezeichenbare) Wahrnehmungen erscheinen, und diese Bestimmtheit (das je Identitäre) entsteht – in phänomenologischer Redeweise – durch die Appräsentation eines Horizontes, aus dem heraus das Bestimmte ‚sich versteht‘: als dies und nicht als das. Weniger phänomenologisch: Die Form von Sinn nutzt Wiedererkennbarkeiten der Wahrnehmung dadurch, daß sie Varietät und Redundanz kombiniert. Sie parasitiert, wenn man so sagen darf, an der einfachen Tatsache, daß es keine identischen Wiederholungen gibt. Sie ballt (konfirmiert) Identitäten so, daß ein Spielraum des Anders-möglich oder des Ähnlich-wie entsteht.

Wir nehmen an, daß diese Ballungsmöglichkeiten erst Zusammenhang mit Kommunikation und Sprache ins Spiel kommen. Erst in der differentiellen Bearbeitung des psychischen Systems durch etwas, was es selbst nicht ist, bildet sich die Funktion des Bewußtseins aus, die sich als ein System-im-System beschreiben läßt. Im Rahmen des psychischen Systems differenziert ein System aus, dessen Medium Wahrnehmungen sind und dessen einzige Operation darin besteht, Wahrnehmungen in die Form von Beobachtungen zu bringen, die dann – wiewohl sie immer noch und niemals etwas anderes als Wahrnehmungen sind – nur noch als Beobachtungen miteinander verkettet werden, die man Gedanken, Vorstellungen, Intentionen etc. nennen könnte.[29] Bewußtsein (als System) wäre demnach eine dezidierte Operativität, die Unterscheidungen und Bezeichnungen im Modus der autopoietischen Reproduktion benutzt, um seine Differenz zur Umwelt zu stabilisieren.[30]

Das Besondere dieses Systems läge darin, daß es in Kontrast zur Kompaktheit der Wahrnehmung mit ihrer geringen Analyseschärfe extreme Informationsraffung leistet.[31] Es operiert zwar auf Wahrnehmungen, aber reduziert und strapaziert dieses Medium bis an den Rand des Wahrnehmungsverzichtes.[32] Und es vollzieht diesen Verzicht durch die äußerst ‚schlanke‘ Operation der Beobachtung, die zunächst nichts weiter ist als ein Bezeichnen, das – indem es geschieht – schon einen Unterschied macht, der sich unterscheiden läßt: durch eine weitere Bezeichnung. Das impliziert eine Art Spatialisierung oder Verlückung.[33] Der dichte Strom der Wahrnehmung wird diskontinuiert durch eine Auflösung in diskrete Elemente.[34] Er wird digitalisiert, und so schnurrt die Fülle des Mediums, dem dies geschieht, auf Beobachtungsleistungen zusammen, die – im Wortsinn – von der Wahrnehmung abstrahieren, also in ihrer Verkettung Sinnüberschüsse abziehen. Das Bewußtsein ist, so gesehen, ein Dauerabstraktor, ein ‚Wahrnehmungsverschlucker‘, der von dem, was die sozusagen immer gesättigte Wahrnehmung appräsentiert, nur ein Minimum zurückbehält, gerade nur eben das, was notwendig ist, um die eigene, hoch asketische Autopoiesis fortzusetzen.[35] Darin kann man ein erstes Indiz dafür sehen, daß das Bewußtsein im Rahmen des psychischen Systems bestimmte Informationsüberschußmöglichkeiten restringiert. Das erkennt man noch deutlicher, wenn man die die Form der Zeitbewandtnisse diskutiert, die das Bewußtsein realisiert.

 

III

 

Wenn man davon ausgeht, daß das Bewußtsein ein autopoietisches System ist, das Beobachtungen miteinander verknüpft, ist damit zugleich gesagt, daß dieses System keine ‚identitären‘ oder abzählbaren Elemente kennt, auf die es im Fundus der Welt zugreifen könnte.[36] Solche Systeme verbinden nichts, was schon da ist, was man nur nehmen müßte, um es in eine Kette einzuschmieden, die aus vorgefundenen Kettengliedern besteht. Sie müssen stattdessen selbst die Ereignisse herstellen (produzieren), mit deren Hilfe sie sich von Moment zu Moment forthangeln. Diese Selbst-Herstellung (eben: Autopoiesis) sagt schon als Begriff, daß das, was hergestellt wird, von jemandem/etwas gemacht werden muß, daß es also an seiner Zeitstelle nichts ist, bevor es nicht (durch ein weiteres Ereignis, das auf gleiche Weise gemacht wird) in das Format gebracht wird, das es rechtfertigt, von einem Element des Systems zu sprechen, obwohl jedes Element nur Element ist durch ein anderes und nicht durch sich selbst..

Man gewöhnt sich mittlerweile daran, diese zeittechnische Verfertigung von Elementen, die nur im Nachtrag, dem selbst ein Nachtrag folgen muß, ermittelt werden, unter dem Gesichtspunkt der différance zu beschreiben.[37] Kein Element ließe sich festhalten als dasselbe Element, oder auch: Dasselbe Element ist verschieden.[38] Oder noch einmal anders: Systeme, die sich autopoietisch reproduzieren, können Sinn nicht fixieren, weil jeder Sinn erst im Aufschub seine flüchtige Epiphanie hat, und das nur dann, wenn auch dieser Sinn (die Epiphanie) von einem weiteren Ereignis identifiziert wird, wobei Identifizieren bedeutet: differieren. Das Bewußtsein, so gesehen, hat weder einen Kairos noch irgendeinen Bestand.[39] Es schließt Sinnfestigkeiten aus und ist deswegen auch nicht in ontologischer Manier erfaßbar. Ein alter Begriff dafür ist: creatio continua, die Zutat der Moderne dann: creatio ohne Schöpfer.

Die besondere Aufschubs- und Nachtragszeitlichkeit des Systems[40], durch die es ihm gelingt, den opaken Strom der Wahrnehmung zu digitalisieren, erzwingt die Annahme, daß das Bewußtsein keinen Ort, keine Ausdehnung hat. In klassisch cartesischer Weise: Es ist nicht res extensa, sondern, wenn man so sagen darf, ein Zeitzusammenzug von Ereignissen, die keineswegs in der Beziehung räumlicher Kontiguität stehen müssen und ebenfalls nicht in der Beziehung unmittelbarer zeitlicher Kontiguität. In anderen Worten: Das Bewußtsein ist für einen Beobachter nicht ständig angeschaltet. Man kann sehen (und von sich selbst wissen), daß Leute schlafen, träumen, dösen. Die operative Zeit des Systems dagegen stellt unentwegt zeitliche Nähen her, die die ‚Fernen‘, die ein Beobachter konstatieren könnte, kollabieren lassen. Das System ist, wie wir sagten, die Reproduktion einer Differenz, aber damit ist nicht auch festgelegt, daß diese Differenz von Moment zu Moment reproduziert wird, sondern nur, daß sie für das System laufend in seiner Eigenzeit reproduziert wird – wenn es sein muß: über Zeitabgründe hinweg. Der Begriff Autopoiesis impliziert diese Eigenzeit.

Insofern ist das Bewußtsein kein Ding, vor dem Elemente auftauchen, die es (in der alten Lichtmetaphorik[41]) nur beleuchtet. "Ein dauernd vorhandener 'Inhalt', der in periodischen Intervallen vor den Rampenlichtern des Bewußtseins auftaucht, ist ein ebenso sagenhaftes Wesen wie der ewig wandernde Ahasver."[42] Es ist stattdessen in jeder Aktualität der aufschiebende, nachtragende Verbindungsschlag zwischen dadurch hergestellten Elementen. Aus diesem Grund hat das System (wie jedes sinnorientierte autopoietische System) eine eigene Zukunft und eine eigene Vergangenheit[43] gegenüber einer Mehrheit von ‚Außenzeiten‘, in diesem Fall etwa gegenüber der Zeit des psychischen Systems, das Wahrnehmungen auch organisiert, wenn das Bewußtsein (und wiederum für einen Beobachter) gerade keine, seine Zeit konstituierenden Verbindungsschläge vollzieht. Es selbst kann die Zwischenzeit nicht bemerken, da es nicht in der Lücke (die der Beobachter registriert) gewesen ist. Denn wenn es seine Aufmerksamkeit darauf ausrichtet, daß es gerade eben nicht bei sich war, ist es bei sich, arbeitet es in seiner Operativität. Pointiert gesagt: Das Bewußtsein ist schlaflos. Es kennt Zäsuren nur, wenn es sie bezeichnet.

Das Problem, das sich aus der Nicht-Dinghaftigkeit des Bewußtseins ergibt (aus seinem, wie ich es nennen würde: Unjekt-Status), ist sprachlicher Natur. Es dürfte nicht als Es auftauchen, nicht als Nomen verwendet werden, nicht (als Wort) der Name von Etwas sein. In einer seit längerer Zeit verfügbaren Schreibweise, die das Problem beibehält und nur mnemotechisch markiert, müßte es (und hier sind wir wiederum nahe bei Lacan) gebarrt geschrieben werden: Bewußtsein.[44] Entsprechend wäre dann auch (wie im Titel dieser Überlegungen) das Unbewußte, solange es als Kehrseite des Bewußtseins verstanden wird, als Unbewußtes zu notieren.

Für unsere Diskussion genügt es aber, darauf zu achten, daß der hoch selektive Zeitzusammenzug, der das System Bewußtsein nur als durchkreuzte Einheit bezeichenbar macht, wiederum Informationsverluste impliziert, die genau durch die Form der Reproduktion anfallen, die die Differenz des Systems (seiner Zeit, seiner Konkatenation) immerzu und immer wieder neu herstellt. Das Bewußtsein operiert auf Wahrnehmungen, aber nicht: auf allen Wahrnehmungen.

All das ist aber nur möglich, weil sich das Bewußtsein in der Weise eines extimen Reproduktionsmodus inszeniert.

 

IV

 

Die Funktion der Informationsraffung, die die Wahrnehmungskomplexität reduziert, wird durch Beobachtungsoperationen exerziert. Das Bewußtsein schließt Beobachtungen an Beobachtungen an (ohne dabei auf räumliche oder zeitliche Kontiguität angewiesen zu sein). Die Operation der Beobachtung ist dabei niemals zeiteinstellig[45], sie kommt isoliert nicht vor, sie ist nur systemisch, nur als Connection machbar. Beobachtung wird formal definiert als Bezeichnungsleistung, die – schon qua Bezeichnung – einen Unterschied realisiert, der durch eine weitere Bezeichnungsleistung als Unterscheidung aufgefaßt werden kann, in der die eine oder andere Seite durch die Bezeichnung gewählt wurde. Genau dieses Zeitverhältnis haben wir mit dem von Derrida entlehnten Ausdruck différance bezeichnet. Bezeichnungen müssen aber in gewisser Weise ‚Isolate‘ nutzen können. Sie müssen über eine Art Material verfügen, dessen Form digital ist, über ein Medium gebieten, das ‚spatialisiert‘ ist und deshalb Intervalle zwischen diskrete Einheiten einschießt: als Bedingung der Möglichkeit des Bezeichnens von etwas und dessen Unterscheidbarkeit von anderem.

Wir wollen annehmen, daß die Form dieses Mediums das Zeichen ist, und deshalb formulieren, daß das Bewußtsein als ein zeichenprozessierendes System gelten kann, dessen Operativität dezidierte Operativität ist.[46] Es soll dabei hier nicht darum gehen, welche Form das Zeichen hat und wie es seine Aufgabe im Rahmen bewußter Autopoiesis erfüllen kann[47], sondern vielmehr darum, daß Zeichengebrauch, wenn er an eine Sprache gebunden ist, an ein wie immer geartetes Register der Versteh- und Mitteilbarkeit, niemals privat sein kann.[48] Die Zeichen, die hier in Frage kommen, sind nicht von einem singulären Bewußtsein erfunden worden, sondern ausschließlich via Kommunikation an die bewußten Systeme gelangt.[49] Die eigentliche Provokation dieser Überlegung ist dann die, daß das Bewußtsein, daß wir üblicherweise als Signum von Individualität begreifen, insofern es immer singulär vorkommt, ein ‚Material‘ prozessiert, daß nirgends komplett individuell oder idiosynkratisch sein könnte. Was es sein kann, ist niemals es selbst, obwohl jedes empirisch vorkommende Bewußtsein mit einem singulären Körper strukturell gekoppelt ist, also immer es selbst zu sein scheint.[50]

Diese eigentümliche Paradoxie kann man mit dem Ausdruck Extimität belegen.[51] Er bezeichnet ein Innerstes, das identisch ist mit einem Äußersten.[52] Dabei wird angenommen, daß das System, das extim ist, keine Möglichkeit hat, das Außen in sich selbst anders als innen zu erfahren.[53] Jedes Zeichen, das es einsetzt, stammt nicht von ihm und wird sozial angeliefert.[54] Es könnte gar keine Grenze zwischen Innen/Außen geben, und doch markiert sich das System als Inside.[55] Es ist sozial formatiert, obgleich es an keiner Stelle sozial ist. Als Bewußtsein ist es der Gegenspieler (die Umwelt) von Sozialsystemen, nicht deren Teil. Gleichwohl kann es nichts denken, ohne von den Zeichen und Zeichenkonstellationen Gebrauch zu machen, die seine soziale Umwelt anliefert.[56] Aber wenn es denkt, denkt es für sich ‚innig‘, nicht außen.[57] Es kommt über seinen Rand nicht hinaus, kann ihn nicht einmal erreichen, da jede Operation, die den Rand bezeichnen will, interne Operation des Systems ist und es fortsetzt oder ‚aufbläst‘.[58]

Im Sog dieser ‚Innigkeit‘ verschwindet jede Einsicht in den Umstand, daß das System Bewußtsein in der Form der Extimität arbeitet. Es kann sich selbst nur bezeichnen, und die Idee des ‚sich selbst‘ ausschließlich daraus ableiten, daß es als zeichengestütztes System auf körperbasierten Wahrnehmungen operiert, die immer wie von einem Ort her geschehen, insofern sie ersichtlich den Körper, der sie macht, nicht verlassen können. Das Bewußtsein ist mithin kein Original (auch wenn es sich so beschreibt), und insofern ist die alte Rede von seiner Alienation müßig: Da ist nichts, was seiner selbst entfremdet würde, nichts Doppeltes, sondern nur das ‚Einfache‘ einer Reproduktionstechnik, die nicht-private Zeichen einsetzt.

Neben allen Informationsverlusten, die bisher genannt wurden, ist es dieser, der den (Lacan in gewisser Weise zustimmenden) Satz zuläßt: Das Unbewußte ist das Soziale, eingeschrieben in das psychische System, also in die Organisation von Wahrnehmungen. Man könnte auch sagen: Das Bewußte ist das Unbewußte. Oder noch anders: Das Unbewußte ist Extimität. Wenn man aber so formuliert und es nicht beim Witz paradoxer Ausdrücke bewenden lassen will, in denen sowohl das Bewußte wie das Unbewußte in eine heillose Oszillation verstrickt werden, müßte ein Punkt geklärt werden, der sich daraus ergibt, daß sowohl die Rede vom Bewußtsein wie vom Unbewußten kaum auskommt ohne die Referenz auf einen Beobachter, der das Problem hat, annehmen zu sollen, daß er sowohl über das eine wie auch das andere verfügt. Da muß doch jemand sein, dessen Lebensarrangement von dieser Differenz her inszeniert wird, ein Ego, ein Ich, ein Subjekt, kurz: ein Betroffener und jemand, der ‚wollen‘ und ‚begehren‘ kann.[59] Warum sollte sich sonst eine ganze Profession auf die Interpretation des Unbewußten einlassen und von ihr zehren?

 

V

 

Wichtig ist, daß der Begriff des Unbewußten nicht einfach nur ein Begriff dafür ist, daß dem Bewußtsein etwas nicht zugänglich ist, daß es etwas nicht bezeichnen kann, daß es als zeichenprozessierendes System Informationen rafft und Informationsverluste produziert. Das wäre eine harmlose und triviale Begriffsvariante, die das (mögliche, nicht immer durchgehaltene) theoretische Niveau der Psychoanalyse verfehlt, insofern es dann einfach um ein Nicht-Wissen geht oder in der Sprache der Systemtheorie darum, daß jedes System an eine Umwelt gekoppelt ist, die es nicht vollständig kontrollieren kann. Es darf nicht übersehen werden, daß das Unbewußte seine begriffliche Prominenz dadurch gewinnt, daß dem Bewußtsein ein Bewohner unterstellt wird, ein Zentrum der Selbstrepräsentation, das massiv in seinem Schicksal und in seinen Lebensmöglichkeiten formiert und deformiert wird durch eine Instanz, auf die es schon deshalb keinen Einfluß hat, weil das Einflußnehmen selbst (der Wunsch dazu, der Versuch) durch dieselbe Instanz sozusagen vorreguliert wird.[60] Jener Bewohner (eben: Ego, Ich, Subjekt) hat es, wenn man es mit den Worten der Romantik ausdrückt, mit einer dämonischen Nachtseite zu tun.[61] Er ist nahezu ohnmächtig.[62]

Das Problem der Systemtheorie mit dieser Annahme liegt auf der Hand: Autopoietische Systeme verfügen nicht über Angelpunkte.[63] Sie sind Zeitsysteme, die sich  – was immer sonst Zeit sein mag – auf der Basis einer eigenen Verzeitlichungstechnik konstituieren, also selbst das, was sie als zeitfest, als Dauer behandeln wollen, nur in der Zeit, die sie ausmacht, erwirtschaften (in einer Ökonomie unablässig sich ablösender Ereignisse), aber nichts davon zurückbehalten können wie ein Ding, wie eine unabhängige Gegebenheit.[64] Sie haben keinen Ort, in den ein Subjekt eingebettet werden könnte, keine Ruhestelle, von der aus ein Ich die Welt seiner vorüberflutenden Gedanken behaglich beschauen könnte.[65] „Wir können unseren Gedanken nicht zuvorkommen." formuliert Paul Valery, und das ist ein schöner Ausdruck dafür, daß das Ich nicht 'schon' da ist und sozusagen denkt, was es zu denken gibt.[66]

Der einzige Begriff, der in der Systemtheorie als Äquivalent für einen Bewohner des Bewußtseins eingesetzt werden könnte, das ist der des Beobachters. Aber gerade für ihn gilt, daß er sich nicht zum Bild eines Subjektes ‚aufwerfen‘ läßt.[67] Er ist allenfalls grammatisch ein Subjekt oder ein Objekt, aber von der Logik des damit Gemeinten her gesehen, ist das Zeichen, die Bezeichnung ‚Beobachter‘ selbst Moment einer Beobachtungsoperation und nichts, was sich von ihr ablösen ließe oder sich zu ihr extern verhielte.[68] Für jede Operation des Beobachtens gilt, daß der Beobachter in ihr nicht erscheint.[69] Beobachtungen kommen zustande dadurch, daß sie (in der Gleitzeit der différance) sich selbst mit anderen Beobachtungen verketten, und wenn eine Beobachtung auf den Beobachter zielt, beobachtet sie wiederum Beobachtungen und nicht: ein Objekt oder Subjekt, das der Beobachter wäre. Insofern täuscht die Sprache nicht, wenn sie Beobachter (und äquivalente Ausdrücke) in die Subjekt/Objektstellung bringt. Sie sind nur dort, und den Fehler der Reifikation würde nur derjenige begehen, der das, was Zeichen bezeichnen, als zutreffende Repräsentation einer von der Bezeichnung unabhängigen Welt begreift.

Das heißt nicht, daß es autopoietische Systeme nicht fertigbrächten, sich selbst (und andere Einheiten des gleichen Typs) zu Beobachtern zu stilisieren. Der Beobachter ist eine Struktur im Sinne eines Kombinationsspielraumes für Ereignisse, die unterscheiden zwischen dem, was ein System sich zurechnet und was nicht. Das System nutzt, wenn wir uns hier auf das Bewußtsein konzentrieren, die Zitationsmöglichkeiten, die durch Zeichengebrauch offeriert werden. Der Beobachter ist dann ein Zitat, das Zitate zitiert. Er ist in diesem Sinne imaginär und wiederum: weder Ding noch Substanz.[70] Man könnte ihn als eine imaginäre Ballung, als zitierbare Zusammenfassung auffassen, die auf Zurechnungsstrategien beruht.[71]

Wenn man sich darauf verständigt, geht es darum, daß diese Ballung, diese Zusammenfassung möglich ist, weil das Bewußtsein in seiner Autopoiesis extim verfährt, so daß die Strategien der Attribution (der Zitationsfundus, den das System im Blick auf die Konstruktion des Beobachters hat) nicht von ihm stammen, sondern durch und durch sozial konditioniert sind. Der Beobachter hat keine bewußtseinsinterne Residenz, und wenn man diesen Umstand bezeichnen will, bietet sich der Term des Unbewußten an. Er markiert eine Differenz, die durch Extimität ausgedrückt ist. Es böte sich sogar an, ihn im systemtheoretischen Kontext durch dieses Wort zu ersetzen.

Hier festzuhalten bleibt nur, daß diese komplexe Differenz als Einfallstor des Sozialen angesehen werden kann. Das gestattet es, sich zu fragen, warum der Begriff des Unbewußten unter modernen gesellschaftlichen Bedingungen eine unglaubliche Ausbreitung gefunden hat, obwohl er so ausnehmend schwierig gebaut ist. Daß der Mensch ein zoon politicon sei, hat man schließlich zuvor auch schon, wenn auch nicht in dieser Radikalität, gewußt.

 

VI

 

Die Idee ist, daß die Erfindung des Unbewußten ein spezifisches gesellschaftliches Problem abfedert, das seit einiger Zeit unter dem Titel Polykontexturalität verhandelt wird.[72] Er bezeichnet einen zentralen Effekt der funktionalen Differenzierung des Gesellschaftssystems, nämlich die mit der Auflösung der stratifizierten Ordnung des Mittelalters und der Installation einer Mehrheit funktionsbezogener und autonomer Subsysteme wie Wirtschaft, Politik, Wissenschaft, Kunst, Erziehung, Religion, Recht etc. einhergehende Entmachtung aller Beobachter, die in dieser Gesellschaft die Welt in einem Fundamentalmodus beobachten wollen.[73] Auf einen Punkt gebracht: Alle Beobachtungen, die in dieser Gesellschaft kursieren, können prinzipiell gegenbeobachtet werden. Es gibt keinen cor et punctus, mit dessen Hilfe sich die Gesellschaft in der Gesellschaft korrekt und in Übereinstimmung mit einem überweltlichen Heilsplan, einer chain of being, einer universitas rerum abbilden könnte. Jede Art von Unbestreitbarkeit wird sabotiert. Alles, was sich als absolut gültig geriert, muß sich mühsam als inviolate level stabilisieren, bleibt aber dennoch (von jeweils anderen Kontexten in derselben Weltgesellschaft aus beobachtet) kontingent.[74] Sogar die Hexenverfolgungen und Dämonopathien, die in der beginnenden Neuzeit so vielen Menschen das Leben kosten, lassen sich beschreiben als zusammenhängend mit dem Versuch, gegen die einbrechende Kontingenz der Moderne Dämme aufzurichten.[75] Die Polykontexturalität der Gesellschaft münzt sich, wenn man so sagen darf, aus in Heterarchie und Hyperkomplexität.

Wenn es triftig ist, daß das Bewußtsein ein extimes System ist, dessen Selbst- und Weltbeobachtungsmöglichkeiten aus der Sphäre des Sozialen stammen, dann kann es sich nicht mehr umstandslos als eine sich mit sich selbst verständigende Einheit beschreiben. Es wird gleichsam ‚überfüllt‘ mit kontingenten Beobachtungsmöglichkeiten, der horror vacui wird ersetzt durch den horror plenitudinis, dem Schrecken, der Angst vor der Fülle.[76] Mit der Frühromantik wird das Fragmentarische der Welt- und Selbstbeobachtungsmöglichkeiten entdeckt und in literarische/philosophische Form gebracht.[77] Die strukturell wirksame Imagination des Beobachters als Ich, Ego, als Subjekt, als ‚wollen könnende‘ Singularität wird ausgehebelt. Das, was wir Extimität genannt haben, schleust in das Bewußtsein, das sich dadurch konstituiert, die Formen der Polykontexturalität und der Heterarchie ein, und für den Fall, daß dies noch mitbeobachtbar wird, Hyperkomplexität.

Das Konzept des Unbewußten liefert die passende Formel. Es ermöglicht dem Bewußtsein, sobald es damit konfrontiert wird, das Wegsortieren seiner massiven Irritation durch Zurechnung auf eine Instanz, die wie ein deus ex machina wirkt. Und: Das Konzept fungiert sozial genauso.[78] Das Unbewußte wird als Nichtnegierbarkeit eingeführt, deren Negation (Widerstand, Abwehr) sein ‚Vorhandensein‘ bestätigt. Die Raffinesse besteht darin, daß ein inviolate level aufgebaut wird, der – wiewohl er durch und durch unerreichbar ist – nicht dementiert werden kann. Das Bewußtsein kann seine Einheit weiterhin geltend machen (die Adressabilität bleibt erhalten), und zugleich als Einheit alles, was nicht zu ihr paßt, abschieben in einen Bezirk, in dem Reflexion ausgeschlossen ist.[79] Im Moment, in dem das Nicht-Passende, das Ausgeschlossene seine Auftritte hat, erkennt das Bewußtsein die Störung daran, daß es denkt: „Das bin nicht ich“ oder „ich war nicht dort“.[80] Die Störung, die sich als Verstörung zeigen kann, erscheint als Alienation und kann den spätestens seit Freud mächtig aufblühenden Expertenkulturen überwiesen werden, die dann – unter dem Deckbegriff des Unbewußten – die Normalität polykontexturaler psychischer Systeme zurücktrimmen auf die Duokontexturalität des Bewußtseins und seines Unbewußten.[81]

Daß über diese gewaltige Anstrengung noch nicht das letzte Wort gesprochen ist, steht fest. Die Durchstreichung, die im Titel dieser Überlegungen zu finden ist, radiert nichts aus. Sie ist nur eine Hinzufügung.

 


[1] Aber das dann doch nicht ohne erhebliche Genauigkeitsverluste kann, folgt man Lacan, J., Das Seminar XX, Encore, 1973-1974 (hrsg. v. Norbert Haas), Weinheim - Berlin 1986, S.64: " ... das Fehlgehen, das ist das Objekt. (...) Das Objekt, das ist ein Verfehltes. Das Wesen des Objekts, das ist das Fehlgehen." – Eine Überlegung, die auch in der Systemtheorie locker überzeugt.

[2] Vgl. etwa Spieß, R., Unbewußte Informationsverarbeitung, Forschungsansätze, Ergebnisse und methodische Probleme unter besonderer Berücksichtigung des akustischen Bereichs, Hamburg 2002. Daß dies seinerseits nicht neu ist, wenn man auf die Traditionen der Philosophie zurückblickt, ist klar. Vgl. Ellenberger, H.F., Die Entdeckung des Unbewußten, Bern – Stuttgart – Wien 1973.

[3] Deswegen werden diese Prozesse auch typisch an Störungen studiert. Ich nenne nur die Agnosien, die Amnesien, das Blindsight- und das Neglekt-Phänomen, ferner – hier unverzichtbar – das paradigmatische Split-Brain-Problem. Man muß nicht eigens hervorheben, daß auch Freud ein massives Interesse an der Behebung von Störungen hatte.

[4] Siehe zu Vorarbeiten Fuchs, P., Das Unbewußte in Psychoanalyse und Systemtheorie, Die Herrschaft der Verlautbarung und die Erreichbarkeit des Bewußtseins, Frankfurt a.M. 1998; ders., Die Dominanz der Verlautbarungswelt und die Erreichbarkeit des Bewußtseins, in: texte, psychoanalyse, ästhetik, kulturkritik, Jg.17. H.3., 1997, S.58-66; ders., The Modernity of Psychanalysis, in: Germanic Review, Vol.74, Number 1, Winter 1999, S.14-29.

[5] Genau besehn: an ein Differenzentriplett: unbewußt, vorbewußt, bewußt.

[6] Freud, A. et al. (Hrsg.), Sigmund Freud, Gesammelte Werke, Frankfurt a.M. 1986(8), S.285ff.

[7] Ebenda.

[8] Vgl. auch Ricœur, P., Die Interpretation, Ein Versuch über Freud, Frankfurt a.M. 1974 (Paris 1965), S.158f.

[9] GSW, Bd.XV, S.80, hier mit Bezug auf das Es (Neue Folgen der Vorlesungen zur Einführung in die Psychoanalyse).

[10] Vgl. zu dieser Hypostasierung Khurana, Th., Die Dispersion des Unbewußten, Drei Studien zu einem nicht-substantialistischen Konzept des Unbewussten: Freud – Lacan – Luhmann, Gießen 2002, S.28ff.

[11] Vgl. zu dieser eigentümlichen Rhetorik, die sich dem Phänomen gleichsam anschmiegt, Pagel, G., Lacan: Einführender Überblick über einen schwierigen Denker und Erörterung einiger Kritiken und Kontroversen, in: Taureck (Hrsg.), a.a.O., S.32-59, S.33Taureck, B.H.F., Hrsg., Psychoanalyse und Philosophie, Lacan in der Diskussion, Frankfurt a.M. 1992, S.7-31. Vgl. ferner zu einem dies exemplifizierenden und reflektierenden Text Lacan, J., Radiophone Televisionen, Weinheim — Berlin 1988, S.94f. Vgl. zur Funktion derart elliptischen Redens Vennemann, J., Von Stil und Stilblüten, in: RISS-Materialien 1 (hrsg. von Michael Schmid), Zur Frage der Transmission (in) der Psychoanalyse, Zürich 1995, S.181-190, S.186f.

[12] Vgl. Khurana 2002, a.a.O., S.138ff.

[13] Das führt dann in die Mathematisierung der Theorie des Unbewußten. Vgl. die instruktive, aber vor Metaphern im Stil des Meisters berstende Arbeit von Bitsch, A., "always crashing in the same car", Jacques Lacans Mathematik des Unbewußten, Weimar 2001.

[14] Das Subjekt wird zum Epiphänomen symbolischer Konfigurationen. Levi-Strauss, Foucault, Altkusser, Kristeva und Derrida wären etwa zu nennen. Vgl. dazu und zum Ausbau der These Dolar, M., Das Cogito als Subjekt des Unbewußten, in: Trinks, J. (Hrsg.), Bewußtsein und Unbewußtes, Wien 2000, S.42-74, hier S.44.

[15] Hier zit. nach Dolar, a.a.O., S.72.

[16] Der das Soziale zweifelsfrei nicht unterschätzt hat. Die Theoriestücke der Urphantasie und des Über-Ich stehen dafür ein.

[17] "Aber selbst in Summa genommen reicht dieses Angebot (verschiedenster Denkrichtungen, P.F.) zur Bestimmung des psychoanalytischen Gegenstandes nicht aus, weil das, was alles eint, auf einer anderen Ebene liegt, weil das, was ein gemeinsamer Nenner sein könnte, gleichzeitig im Zähler eines Bruches erscheint, der seit jeher und für immer den Menschen von allen anderen Kreaturen trennt, eines Bruches, der tiefe Spaltung von Natur und Kultur kennzeichnet, wobei das, was zählt und nennt, Sprache ist." Ruhs, A., Zur Materialität des psychoanalytischen Gegenstandes, in: ders./Nagl, L. (Hrsg.), Philosophie und Psychoanalyse, Frankfurt a.M. 1990, S.79-90, hier S.80.

[18] Sigmund Freud reserviert dann für das Bewußtsein die Position, einen besonderen Typ von Wahrnehmung zu prozessieren. Das Bewußtsein ist "ein() Sinnesorgan() zur Wahrnehmung psychischer Qualitäten. Nach dem Grundgedanken unseres schematischen Versuchs können wir die Bewußtseinswahrnehmung nur als die eigene Leistung eines besonderen Systems auffassen, für welches sich die Abkürzungsbezeichnung Bw empfiehlt. Dies System denken wir uns in seinen mechanischen Charakteren ähnlich wie die Wahrnehmungssysteme W, also erregbar durch Qualitäten, und unfähig, die Spur von Veränderungen zu bewahren, also ohne Gedächtnis. Der psychische Apparat, der mit dem Sinnesorgan der W-Systeme der Außenwelt zugekehrt ist, ist selbst Außenwelt für das Sinnesorgan des Bw, dessen teleologische Rechtfertigung in diesem Verhältnisse ruht.“ Freud, A. et al. (Hrsg.), Sigmund Freud, Gesammelte Werke, Frankfurt a.M. 1986(8), Bd.II/III, S.620.

[19] In dieser Form verfügen also auch Tiere über psychische Systeme. Meine Hunde zum Beispiel haben keine Sprache (genauer: keinen Zeichengebrauch), aber es ist offensichtlich, daß ihre psychische Organisation bei iterierenden Vorgängen das Verhalten bestimmt. Ich muß nur das Wort „Hunde“ sagen, und sie stürzen aus jeder erdenklichen Entfernung herbei. Dazu müssen sie keineswegs wissen, daß sie Hunde sind.

[20] Vgl. Luhmann, Niklas, Soziale Systeme, Grundriß einer allgemeinen Theorie, Frankfurt a.M. 1984, S.561. Dieser Gesichtspunkt ist nicht unwichtig. Da das psychische System (als Organisation von Wahrnehmungen in der Form der Zitation) sich weitaus früher entwickelt als das, was wir gleich Bewußtsein nennen werden, sind die früh erworbenen Zitiermuster tatsächlich prägend und werden dadurch verstärkt, daß sie aktuell nicht negierbar und nicht ignorierbar sind. Es ist klar, daß hier entscheidende Intuitionen und Inventionen Freuds zugrundeliegen.

[21] Ein paralleles Argument für Bewußtsein (Bewußtsein ist immer vollständig) entfaltet Sartre, J.P., Bewußtsein und Selbsterkenntnis, die Seinsdimension des Subjekts, Hamburg 1973. Im übrigen sind sogenannte subliminale Wahrnehmungen Wahrnehmungen, die nicht wahrgenommen werden, also paradox. Wahrgenommen wird der Durst, nicht die ultrakurze Sequenz in einem Film, die zu dieser Wahrnehmung den Anlaß hätte geliefert haben können. Wir werden weiter unten sehen, daß das Bewußtsein (und gänzlich unspektakulär) einfach nicht alle Wahrnehmungen des psychischen Systems bezeichnet.

[22] Valery, P., Cahiers/Hefte, S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main, Bd. 4, 1990, S.33, sieht ebendies als Merkmal von Realität: Unaustauschbarkeit. In einer Variation einer Formulierung von Nobalis: "Der Geist führt einen ewigen Selbstbeweis." Novalis (Friedrich von Hardenberg), Fragmente und Studien, Die Christenheit oder Europa, hrsg. von Paschek, Carl, Stuttgart 1984, S.5, könnte man sagen: Die Wahrnehmung ist ihr ewiger Selbstbeweis.

[23] "In ... auf Wittgenstein zurückgehender Formulierung kann man ... sagen: Ein System kann nur sehen, was es sehen kann. Es kann nicht sehen, was es nicht sehen kann. Es kann auch nicht sehen, daß es nicht sehen kann, was es nicht sehen kann. Das verbirgt sich für das System 'hinter' dem Horizont, der für das System kein 'dahinter' hat. Das, was man 'cognized model' genannt hat, ist für das System absolute Realität. Es hat Seinsqualität, oder, logisch gesprochen: Einwertigkeit. Es ist, was es ist ..." Luhmann, N., Ökologische Kommunikation, Kann die moderne Gesellschaft sich auf ökologische Gefährdungen einlassen?, Opladen 1986. S.52. In phänomenologischer Diktion: "Ich fülle meine Welt bis zum Rand aus; mein Gesichtsfeld als 'universales Seinsmilieu'". Merleau-Ponty, M., Die Prosa der Welt, München 1993, S.151.

[24] "Das Lebewesen bezieht aus dem Milieu, was es in den Stand setzt, so zu handeln, als existierte dieses Milieu nicht.", formuliert Valéry, Paul, Cahiers/Hefte, Bd. 3, Frankfurt a.M. 1989, S.313.

[25] Man kann vielleicht sagen, daß bestimmte Strukturen nicht wiedererkannt werden und trotzdem Repetitionen von Mustern darstellen, die die Organisation der Wahrnehmung definieren, aber dann ist man schon mitten in der Theorie des Unbewußten, die annehmen muß, daß das Nicht-Wiedererkennen irgendwie auffallen muß. Das ist ein wichtiger Aspekt der Lacanschen Konzeption. Wollte man parallel zur Unterscheidung bewußt/unbewußt argumentieren, müßte man von Unwahrnehmungen sprechen.

[26] Um es noch einmal zu sagen: Auch Tiere verfügen – sobald sie strukturierbare Wahrnehmung nutzen können – über ein geschlossenes psychisches System.

[27] Vgl. grundlegend Luhmann, N., Sinn als Grundbegriff der Soziologie, in: Habermas, J./Luhmann, N. (Hrsg.), Theorie der Gesellschaft oder Sozialtechnologie, Frankfurt a.M., 1971, S.25-100; vgl. auch mit stärker operativen Zuschnitt dens., Identität - was oder wie?, in ders., Soziologische Aufklärung, Bd.5, Konstruktivistische Perspektiven, Opladen 1990, S.14-30.

[28] Vgl. auch Fuchs, P., Der Sinn der Beobachtung, Ms. Travenbrück 2003.

[29]  Vgl. zur Diskussion des Bewußtseins Luhmann, N., Die Autopoiesis des Bewußtseins, in: Soziale Welt 36, 1985, S.402-446 (ebenfalls in: Hahn, A./Kapp, V. (Hrsg.), Selbstthematisierung und Selbstzeugnis: Bekenntnis und Geständnis, Frankfurt 1987, S.25-94); ders., Wie ist Bewußtsein an Kommunikation beteiligt?, in: Gumbrecht, H.U./Pfeiffer, K.L. (Hrsg.), Materialität der Kommunikation, Frankfurt a.M. 1988, S.884-905; Baecker, D., Die Unterscheidung zwischen Kommunikation und Bewußtsein, in: Krohn, W./Küppers, G. (Hrsg.), Emergenz: Die Entstehung von Ordnung, Organisation und Bedeutung, Frankfurt a.M. 1992, S.217-268; Bergmann, W./Hoffmann, G., Selbstreferenz und Zeit: Die dynamische Stabilität des Bewußtseins, in: Husserl Studies 6, 1989, S.155-175; Fuchs, P., Das Unbewußte in Psychoanalyse und Systemtheorie, Die Herrschaft der Verlautbarung und die Erreichbarkeit des Bewußtseins, Frankfurt a.M. 1998; ders., The Modernity of Psychanalysis, in: Germanic Review, Vol.74, Number 1, Winter 1999, S.14-29; ders.,  Die konditionierte Koproduktion von Kommunikation und Bewußtsein, in: Ver-Schiede der Kultur, Aufsätze zur Kippe kulturanthropologischen Nachdenkens (hrsg. von der Arbeitsgruppe „menschen formen“ am Institut für Soziologie der freien Universität Berlin), Marburg 2002, S.150-175; ders., 84. Die Form der autopoietischen Reproduktion am Beispiel von Kommunikation und Bewußtsein, in: Soziale Systeme 8, 2002, H.2, S.333-351.

[30] Statt dezidierter Operativität könnte man auch den schönen Ausdruck ‚zerebrale Zelebrität‘ benutzen als Bezeichnung für das, was man zeichenförmig hervorgehobene Gruppen der Wahrnehmung nennen könnte. Vgl. zu dem Ausdruck Bühl, W.L., Das kollektive Unbewußte in der postmodernen Gesellschaft, Konstanz 2000, S.67. Vgl. als Auswahl von Werken, die den Begriff Autopoiesis einführen bzw. ihn in Theorien des Sozialen und Psychischen einbauen: Varela, F.J./Maturana, H.R./ Uribe, R.B., Autopoiesis: The Organization of Living Systems, Its Characteristics and a Model, in: Biosystems 5, 1974, S.187-196; Zeleny, M. (Hrsg.), Autopoiesis. A Theory of Living Organization, New York - Oxford 1981; Zeleny, M./Pierre, N.A., Simulation of Self-Renewing Systems, in: Jantsch, E./Waddington, C.H. (Hrsg.), Evolution and Consciousness, Human Systems in Transition, London 1976, S.150-165; Maturana, H.R./Varela, F.J., Autopoiesis and Cognition: The Realization of the Living, in: Boston Studies in the Philosophy of Science, Vol. 42, Boston - Dordrecht 1980; Benseler, F. et al. (Hrsg.), Autopoiesis, Communication and Society. The Theory of Autopoietic System in the Social Sciences, Frankfurt 1980; Luhmann, N., Autopoiesis, Handlung und kommunikative Verständigung, in: ZfS 11, 1982, S.366-379; siehe zur grundlegenden Ausarbeitung Luhmann, N., Soziale Systeme, Grundriß einer allgemeinen Theorie, Frankfurt a.M. 1984; siehe zu soziologischer Kritik Lipp, W., Autopoiesis biologisch, Autopoiesis soziologisch, Wohin führt Luhmanns Paradigmawechsel?, in: KZfSS, Jg.39, 1987, S.452-470. In unserem Kontext interessant ist Brocher, T./Sies, C., Psychoanalyse und Neurobiologie, Zum Modell der Autopoiese als Regulationsprinzip, Jahrbuch der Psychoanalyse, Beiheft 10, Stuttgart - Bad Cannstatt 1986. Vgl. zu neueren Präzisierungen Fuchs, P., Die Form der autopoietischen Reproduktion am Beispiel von Kommunikation und Bewußtsein, in: Soziale Systeme 8, 2002, H.2, S.333-351.

[31] Vgl. Günther, Gotthard, Bewußtsein als Informationsraffer, in: Grundlagenstudien aus Kybernetik und Geisteswissenschaften 10, 1969, S.1-6.

[32] Vgl. zu dieser These, die, den Wahrnehmungsverzicht zugleich als Eindringstelle für die soziale Konditionierung von Wahrnehmungen auffaßt,  Baecker, D., Kommunikation über Wahrnehmung, Thesenpapier zur Konferenz "Wahrnehmung und ästhetische Reflexion", Berlin 28.-30. Oktober 1993, S.3.

[33] Man müßte sagen, für einen Beobachten, der sich sprachlich nicht zu helfen weiß. Der Gedanke der Sequentialität (hier: Autopoiesis) evoziert die Metaphorik des Intervalls, der Lücke, des Dazwischen. Siehe dazu umfangreich Fuchs, P., Die Metapher des Systems, Studie zur allgemein leitenden Frage, wie sich der Tanz vom Tänzer unterscheiden lasse, Weilerswist 2001. Vgl. aber schon zur Entdeckung des Problems am Bewußtsein James, W., Psychologie, Leibzig 1920, S.156ff. Oder  man könnte Klages, L., Der Geist als Widersacher der Seele, Bonn 1981, S.842, zitieren: " ... Bewußtsein ist potentiell zählendes Bewußtsein."

[34] Ein schöner Parallelfall ist die Sprache selbst und das Problem, wie eigentlich die Lücken zwischen das geschossen wird, was man Wörter nennt und warum man eigentlich zu den Lücken nicht Wörter sagt. Vgl. jedenfalls Paul Saenger on Space between Words: The Origins of Silent Reading, Interview mit Jill Kitson, 4.1.2000, Radio National, lingua franca. Vgl. ferner dens., Silent Reading: Its Impact on Late Medieval Script and Society, in: Viator 13, 1982, S.367-414; ders., The Separation of Words and the Order of Words. The Genesis of Medieval Reading, in: Scrittura e Civilta 14, 1990, S.49-74. Siehe für die weitreichende Übernahme der Saengerschen Thesen Chartier, R., The Practical Impact of Writing, in ders. (Hrsg.), A History of Private Life, III, Passions of the Renaissance, Cambridge (Mass.) 1989, etwa S.125 et passim.

[35] "Wer das Wort Gedanke erfand, der hat sicherlich damit ein Gefühl getilgt, einen inneren Vorgang begrenzt." So jedenfalls Valery, P., Cahiers/Hefte, S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main, Bd. 4, 1990, S.555.

[36] In diesem Sinne gibt es nichts Elementares. Jede Wiederaneignung des Elementaren kann nur sein: ex-approbriation - Ent-Aneignung. Vgl. Derrida, J., Auslassungspunkte, Gespräche (hrsg. von Peter Engelmann), Wien 1998, S.280.

[37] Vgl. Derrida, J., Die différance, in ders., Randgänge der Philosophie, Wien 1988, S.29-52.

[38] Vgl. Glanville, R., The Same is Different, in: Zeleny, M. (Hrsg.), Autopoiesis: A Theory of Living Organization, New York - Oxford 1981, S. 252-262 (in deutscher Übersetzung verfügbar in: Glanville, R., Objekte [hrsg. und übersetzt von Dirk Baecker], Berlin 1988, S.61-78.).

[39] "Reale Dauer ist jene, die sich in die Dinge einbeißt und ihnen das Mal ihrer Zähne zurückläßt. Ist aber alles in der Zeit, dann wandelt sich auch alles von innen her, und die gleiche konkrete Wirklichkeit wiederholt sich nie. Wiederholung also ist nur im Abstrakten möglich: was sich wiederholt, ist diese oder jene Ansicht, die unsere Sinne und mehr noch unser Verstand eben darum von der Wirklichkeit ablösen ...", formuliert schon Bergson, Henri, Schöpferische Entwicklung, Jena 1912, S.53.

[40] Die mutatis mutandis auch für Soziale Systeme gilt.

[41] "Mit dem Bewußtsein ist schlechthin Licht verbunden. Ich weiß mich im Licht; mein Wissen ist Licht; so weit Licht ist, so weit weiß ich; wo es aufhört, wo Undurchsichtigkeit angeht, da weiß ich nicht mehr." Ritter, J.W., Fragmente aus dem Nachlaß eines jungen Physikers, Stuttgart 1946, S.66.

[42] James 1920, a.a.O., S.155. (Sperrung im Original)

[43] Man könnte auch sagen: Es hat seine Zukunft durch die aktuelle Konstruktion seiner Vergangenheit. "Die Vergangenheit liegt zwischen der Gegenwart und der Zukunft ..." Valery, P., Cahiers/Hefte, Frankfurt a. M., Bd. 4, 1990, S.86.

[44] Zu erinnern ist an die kreuzweise Durchstreichung des Seins durch Heidegger, M., Einführung in die Metaphysik, Tübingen 1953 oder an Derrida, J., Randgänge der Philosophie, Wien 1988. Vielleicht ist die Schwierigkeit auch durch die deutsche Sprache ins Spiel gekommen. Consciousness oder conscience erwecken weitaus weniger die Idee einer Dinghaftigkeit, eher die einer Mitwisserschaft, eines Mitwissens, einer Komplizenschaft, die auf Differenz verweist.

[45] Vgl. zu einer Zeitstellentheorie Luhmann, N., Organisation und Entscheidung, Opladen 2000, S.152ff.

[46] "Wir denken ausschließlich in Zeichen.", formuliert für unsere Überlegungen günstig Peirce, Ch. S., Semiotische Schriften, Bd.1: 1865-1903 (hrsg. und übers. von Kloesel, Ch. und Pape, H.), Frankfurt a.M. 1986. S.200. Daß dies dann nur gelten könne unter der besonderen Bedingung der Verschiebung, macht Lacan deutlich: „Der Sinn des Sinns (the meaning of meaning), man hat sich gefragt, was das ist ... der Sinn des Sinns in meiner Praxis begreift sich daraus, daß er flieht, rinnt: gleichsam aus einem Faß und nicht, indem er Reißaus nimmt. Dadurch, daß er rinnt (im Sinn: Faß) gewinnt ein Diskurs seinen Sinn, will sagen dadurch, daß seine Wirkungen unmöglich zu berechnen wären. Die Spitze am Sinn, man spürt es, ist das Rätsel ... Wie zeigt es sich, daß ein Zeichen Zeichen ist. Das Zeichen des Zeichens, das besagt die Antwort, die der Frage zum Vorwand (pré-texte) dient, ist darin zu sehen, daß ein beliebiges Zeichen ebensogut die Funktion eines jeden anderen übernehmen kann, und zwar genaugenommen deshalb, weil es ihm substituiert werden kann. Denn Tragweite hat das Zeichen nur, weil es entziffert werden muß. Ohne Zweifel soll die Abfolge der Zeichen Sinn annehmen aus der Entzifferung. Nicht aber gibt diese Abfolge ihre Struktur preis, weil eine Di(t)mension der anderen ihren Term gibt.“  Lacan, J., Schriften II (in deutscher Sprache hrsg. von Haas, N./Metzger, H.-J.), Weinheim — Berlin 1991(3), S.7.

[47] Vgl. dazu Luhmann, N., Zeichen als Form. In: Baecker, Dirk (Hrsg.), Probleme der Form. Frankfurt a.M. (Suhrkamp) 1993, S.45-69.

[48] Daß hier das Wittgensteinsche Privatsprachenargument anzitiert wird, liegt auf der Hand. Gedankenexperimentell kann man diese Überlegung prüfen, wenn man die Sprache auf Null fahren würde und sich fragte, was dann noch bliebe. So jedenfalls Valery, P., Cahiers/Hefte 1, Frankfurt a.M. 1991(2), S.523: "Was einzig durch Sprache existiert, mit null gleichsetzen - - - die Sprache gleich null setzen. Die Sprache bildet die Gesamtperspektive des Geistes. Man ist verstört, gedemütigt, vernichtet, wenn man die Sprache annulliert denn man annulliert zugleich das ‚Wiedererkennen', das Vertrauen, den Kredit, die Unterscheidungen von Zeiten und Zuständen, die ‚Dimensionen', die Werte, die ganze Zivilisation, Schatten und Glanz der ‚großen Welt', ja die Welt überhaupt, und es bleibt nur das, was mit nichts Ähnlichkeit hat: das Ungeformte."

[49] Man könnte ein bekanntes Nietzsche-Diktum so verstehen, daß die Kommunikation "Großmandatar" der Sinnproduktion sei. Vgl. Nietzsche, F., Nachgelassene Fragmente, in: Friedrich Nietzsche, Sämtliche Werke, Kritische Studienausgabe in 15 Bänden (hrsg.) von Giorgio Collo und Mazzino Montinari, München - Berlin - New York 1980, Bd.13, S.599

[50] Im Innersten des Menschen residiert der proton pseudos, die Ursprungslüge, durch die die "Inkonsistenz der symbolischenOrdnung" verborgen/verdeckt wird, Zizek, S., Die Metastasen des Geniessens, sechs erotisch-politische Versuche, Wien 1996, S.11.

[51] Lacan hat diesen Begriff aus dem Gegenbegriff Intimität entwickelt. Vgl. dazu Miller, J.-A., Extimité, in: Prose Studies 11, 1988, S.121-130.

[52] Schon bei Augustinus heißt es, daß Gott das interior intimo meo sei, also: innerer als das Innerste und zugleich das Äußerste, das Fremdeste. Die Figur wurde dann immer wieder von der Mystik aufgegriffen,. die ein starkes Innen-Interesse hat. Dieses Interesse führt zurück auf die paulinische homo interior/homo exterior-Unterscheidung (Röm 7,22; 2 Kor 4,16), die ihrerseits auf ähnliche antike Unterscheidungen zurückgreifen kann. Vgl. zu diesem Hinweis Keller, H.E., înluogen, Blicke in symbolische Räume an Beispielen aus der mystischen Literatur des 12.-14. Jahrhunderts, in: Michel, P. (Hrsg.), Symbolik von Ort und Raum (Schriften zur Symbolforschung Bd.11), Berlin u.a.O. 1997, S.353-376,hier S.353. Vgl. ferner den Aufsatz über Mystik in: Luhmann, N./Fuchs, P., Reden und Schweigen, Frankfurt a.M. 1989. Bei Derrida heißt diese Figur: Monstruosität. Siehe Ansén, R., Defigurationen, Versuch über Derrida, Würzburg 1993 (Epistemata, Reihe Philosophie 140), S.9. Siehe zu Konsequenzen für die Systemtheorie umfangreich Fuchs, P., Die Metapher des Systems, Studie zur allgemein leitenden Frage, wie sich der Tanz vom Tänzer unterscheiden lasse, Weilerswist 2001.

[53] Es müßte sterben, damit die Grenze kollabiert. Spencer-Brown, G., Laws of Form, London 19712, S.194: "We do exactly the same with ourselves. When we die the self-boundary eventually disappears. Before it did so, we ascribed a huge value to what we called 'inside' of ourselves, and comparativeley little value to what we called 'outside'. The death experience is thus ultimatley the loss of the selective blindness to see both sides of every distinction equally. This by definition is absolute knowledge or omniscience, which is mathematically impossible except as equated with no knowledge at all. In the ascription of equal values to all sides, existence has ceased altogether, and the knowledge of everything has become knowledge of nothing."

[54] Dieses sozial angelieferte Unterscheidungspotential ist das, was man mit Lacan ´connaissance´ nennen könnte. Vgl. Ragland-Sullivan, E., Jacques Lacan und die Philosophie der Psychoanalyse I, Weinheim - Berlin 1989, S.17.

[55] Husserl formuliert entsprechend: "Ich, das reduzierte ‚Menschen-Ich' (‚psychophysische Ich'), bin also konstituiert als Glied der ‚Welt', mit dem mannigfaltigen ‚Außer-mir', aber ich selbst in meiner ‚Seele' konstituiere das alles und trage es intentional in mir. Sollte es sich gar zeigen lassen, daß alles als Eigenheitliches Konstituierte, also auch die reduzierte ‚Welt' zum konkreten Wesen des konstituierenden Subjekts als unabtrennbar innere Bestimmung gehört, so fände sich in der Selbstexplikation des Ich seine eigenheitliche ‚Welt' als ‚drinnen', und andererseits fände das Ich, geradehin seine Welt durchlaufend, sich selbst als Glied ihrer ‚Äußerlichkeiten' und schiede zwischen sich und ‚Außenwelt'". Husserl, E., Cartesische Meditationen, in ders., Gesammelte Schriften (hrsg. von Elisabeth Ströker), Bd.8, Hamburg 1992, S.101.

[56] Vgl. dazu, daß das Denken das Außen denkt und sich nicht selbst erreicht, Foucault, M., Die Ordnung der Dinge. Eine Archäologie der Humanwissenschaften, Frankfurt a.M. 1971, S. 390f.

[57] Vgl. zu diesem commercium admirabile in Bezug auf Spencer-Brown Glanville, R., "YOUR INSIDE IS OUT AND YOUR OUTSIDE IS IN", in ders., Objekte [hrsg. und übersetzt von Dirk Baecker], Berlin 1988, S.167-174. Häufig wird in diesem Kontext auch das Möbiusband zitiert. Siehe etwa zu einer Diskussion des Möbiusbandes im Kontext der Lacanschen Theorie Ort, N., Objektkonstitution als Zeichenprozeß, Jacques Lacans Psychosemiologie und Systemtheorie, Wiesbaden 1998, S.50ff., S.120f et passim. Vgl. schon mit Referenz auf Gesellschaft Schmidt, B. M., Die anderen Seiten der Realität - James Hoggs Doppelgänger und der Doppeltorus zwischen Unbewußtem undTranszendenz, in: Fichtner, I. (Hrsg.), Doppelgänger. Von endlosen Spielarten eines Phänomens, Bern - Stuttgart - Wien 1999, S.31-58.

[58] Mit Blick auf die Philosophie: "Dies bedeutet nicht nur die Anerkennung des Umstandes, daß die Randzone sich drinnen und draußen befindet. Die Philosophie sagt das ja auch: drinnen, weil der philosophische Diskurs seine Randzone kennen und beherrschen, die Linie definieren, die Seite einrahmen, in seinem Volumen umfassen will. Draußen, weil die Randzone, seine Randzone, sein Draußen leer sind, draußen sind: ein Negativ, mit dem sie nichts anzufangen wüßte, ein Negativ ohne Wirkung im Text oder ein Negativ im Dienste des Sinns..." Derrida, J., Tympanon, in: Randgänge der Philosophie, Wien 1988, S.23.

[59] Siehe dazu, daß Volition eine begriffliche Schwachstelle der Systemtheorie sein könnte, Ort, N. Volition - zu einem nicht-empirischen operativen Zeichenbegriff, in: Jahraus, O./Ort, N., Theorie - Prozess - Selbstreferenz, Systemtheorie und transdisziplinäre Theoriebildung, Konstanz 2003, S. 261-280.

[60] Daraus kann man schließen (und ist geschlossen worden), daß Kulturen, die diese Selbstrepräsentanz nicht so denken wie die unsere, das Konzept des Unbewußten nicht umstandslos auf ihre Verhältnisse übertragen können. Vgl. zu einem Fall, der dies deutlich macht, die Studie über Japan in Fuchs, P., Die Umschrift, Zwei kommunikationstheoretische Studien, Frankfurt a.M. 1995.

[61] Man kann sogar die These vertreten, daß die Aufklärung (und nicht erst die Romantik) das Problem es Unbewußten erschaffen hat, insofern sie aufklärungsförmiges Wissen (clare et distincte) abtrennen mußte vom dunklen Wissen, der (in Begriffen von Leibnitz) cognitio diffusa. Es ist insbesondere Kant, der sich durchaus darüber bewußt war, der ein „Wissen zweiten Ranges“ postuliert, eine Kenntnis, die nicht Wissen ist. Vgl. dazu Schöpf, A., Unbewußte Kommunikation, Der interne Diskurs des Gewissens und der externe der Gesellschaft, Wien 2001, S.30f.

[62] Das wird sehr deutlich auch in Freuds 2. Strukturmodell: "Ein Individuum ist nun für uns ein psychisches Es, unerkannt und unbewußt, diesem sitzt das Ich oberflächlich auf, aus dem W-System als Kern entwickelt. Streben wir nach graphischer Darstellung, so werden wir hinzufügen, das Ich umhüllt das Es nicht ganz, sondern nur insoweit das System W dessen Oberfläche bildet, also etwa so wie die Keimscheibe dem Ei aufsitzt. Das Ich ist vom Es nicht scharf getrennt, es fließt nach unten hin mit ihm zusammen. Aber auch das Verdrängte fließt mit dem Es zusammen, ist nur ein Teil von ihm. Das Verdrängte ist nur vom Ich durch die Verdrängungswiderstände scharf geschieden, durch das Es kann es mit ihm kommunizieren." Freud, A. et al. (Hrsg.), Sigmund Freud, Gesammelte Werke, Frankfurt a.M. 1986(8), Bd.XIII, S.246. Die berühmte Skizze befindet sich auf S.252

[63] Anderenfalls müßte ein Element gefunden werden, das eine self-evident-unity wäre, "some case of an unity which develops its own differences out of itself." Selbst-repräsentative Systeme müßten mindestens ein Element haben, das alle anderen Elemente des Systems vollständig spiegeln könnte oder sich wenigstens zu ihnen dominant verhalten müßte. Siehe Royce, J., The World and the Individual, First Series, New York 1901 (1959). Vgl. auch einen Aufsatz von John C. Maraldo, der leider nur in japanischer Sprache erschienen ist (in: Shizuteru, U., Hrsg., Nishida Tetsugaku e no toi (Questioning Nishida´s Philosophy), Tokyo 1990, S.85-95) und deshalb von mir nach der englischen Manuskriptfassung zitiert wird: Maraldo, J., Self-Mirroring and Self-Awareness: Dedekind, Royce and Nishida.

[64] Sie verfügen also nicht über Remanenz, über etwas, das im System übrigbliebe, wenn seine Ereignisse wegfallen. Vgl. dazu Carstenjen, F./Avenarius, R., Biomechanische Grundlagen der neuen allgemeinen Erkenntnistheorie, Eine Einführung in die „Kritik der reinen Erfahrung“, München 1894, S.75.

[65] Ohne die Begriffe, die wir hier einsetzen, trifft damit zu, was Bitsch, A., "always crashing in the same car", Jacques Lacans Mathematik des Unbewußten, Weimar 2001, S.14, sagt:  Das Subjekt ist 'Prozedur' im Reellen, also nicht antreffbar. Siehe zur Unerreichbarkeit des Ich durch das Bewußtsein Fichte, J. G., Sämtliche Werke (hrsg. von I.H. Fichte) Berlin 1845/46, Bd.1 S.277: "Hier erst wird der Sinn des Satzes: das Ich setzt sich selbst schlechthin, völlig klar. Es ist in demselben gar nicht die Rede von dem im wirklichen Bewußtsein gegebenen Ich, denn dieses ist nie schlechthin, sondern sein Zustand ist immer entweder unmittelbar oder mittelbar durch etwas außer dem Ich begründet; sondern von einer Idee des Ich, die seiner praktischen unendlichen Forderung notwendig zu Grunde gelegt werden muß, die aber für unser Bewußtsein unerreichbar ist ..."

[66] Cahiers/Hefte, S. Fischer Verlag, Frankfurt am Main, Bd. 4, 1990, S.55.

[67] Vgl. für die Formulierung Deleuze, G., Bartleby oder die Formel, Berlin 1994, hier S.30. Wenn dann doch jemand einen Bewohner des Bewußtseins unterstellt, dann muß er notwendig auf die Idee kommen, daß er die Qualität der ‚opacité‘ habe. So jedenfalls Sartre, J.P., Bewußtsein und Selbsterkenntnis, die Seinsdimension des Subjekts, Hamburg 1973, S.33f.

[68] "Der Beobachter ist das Nicht-Beobachtbare." formuliert bündig Serres, M., Der Parasit, Frankfurt a.M. 1991, S.365.

[69] In der Augenmetapher gesagt: "Das Auge ist schon in den Dingen, ist Teil des Bildes, es ist die Sichtbarkeit des Bildes... Das Auge ist nicht die Kamera, es ist die Leinwand." So jedenfalls Deleuze, G., Unterhandlungen 1972-1990, Frankfurt a.M. 1993, S.82. Das Subjekt als das "blose Blindlings" formuliert Schelling, F.W.J., System der Weltalter, Münchener Vorlesung 1827/28 in einer Nachschrift von Ernst von Lasaulx (hrsg. und eingeleitet von Siegbert Peetz), Frankfurt a.M. 1998 (2. erw. Auflage), Vorlesung 7, S. 29, im Blick auf Spinoza.

[70] Das Bewußtsein entwickelt Eigen-Geistbilder. Vgl. zu dieser Figur Piaget, J., Das Erwachen der Intelligenz beim Kinde, Stuttgart 1973(2), vor allem S.333ff. Hierhin gehört auch das Lacansche Spiegeltheorie.

[71] "...Die ganze Welt ist nur ein Ding. Welt und Ich sind nur mehr oder weniger willkürliche Zusammenfassungen," Mach, E., Notizbuch 23 (26.1.1881), in: Haller, R./Stadler, F. (Hrsg.), Ernst Mach - Werk und Wirkung, Wien 1988, S.178.

[72] Siehe zum Ausgangskontext des Begriffs Günther, G., Life as Poly-Contexturality, in: Beiträge zur Grundlegung einer operationsfähigen Dialektik, Bd .II, Hamburg 1979, S. 283-306.

[73] Siehe als einige Beispiele für die Analyse von Funktionssystemen Luhmann, N., Macht, Stuttgart 1975; ders., Funktion der Religion, Frankfurt a.M. 1977; ders./Schorr, E., Reflexionsprobleme im Erziehungssystem, Stuttgart 1979; ders., Die Wirtschaft der Gesellschaft, Frankfurt a.M.1988; ders., Liebe als Passion, Zur Codierung von Imtimität, Frankfurt 1982; ders., Die Wissenschaft der Gesellschaft, Frankfurt a.M. 1990. Siehe ferner Mayntz, R., Funktionelle Teilsysteme in der Theorie sozialer Differenzierung, in: dies. et al., Differenzierung und Verselbstständigung: Zur Entwicklung gesellschaftlicher Teilsysteme, New York - Frankfurt a.M. 1988, S.11-44. Vgl. ferner Fuchs, P., Die Erreichbarkeit der Gesellschaft, Zur Konstruktion und Imagination gesellschaftlicher Einheit, Frankfurt a.M. 1992.

[74] Das kann dann als krisenhaft registriert werden und retrospektiv dem Übergang von Stratifikation zur funktionalen Differenzierung zugerechnet werden. Siehe etwa Koenigsberger, H.G., Die Krise des 17. Jahrhunderts, in Zeitschrift für Historische Forschung 9, 1982, S.143-165. Vgl. Schilling, H., The European Crisis of the 1590s: The Situation in German Towns, in: Clark, P. (Hrsg.), The European Crisis of the 1590s, Essays in Comparative History, London 1985, S.135-156; Schulze, W., Untertanenrevolten, Hexenverfolgungen und "kleine Eiszeit": eine Krisenzeit um 1600?, in: Roeck, B. et al. (Hrsg.), Venedig und Oberdeutschland in der Renaissance, Beziehungen zwischen Kunst und Wirtschaft, Sigmaringen 1993, S.289-309. Vgl. auch die Beiträge in Hagenmaier, M./Holtz, S. (Hrsg.), Krisenbewußtsein und Krisenbewältigung in der frühen Neuzeit, Festschrift für Hans-Christoph Rublack, Frankfurt a.M. 1992.; Häberlein, M.,(Hrsg.), Devianz, Widerstand und Herrschaftspraxis in der Vormoderne, Studien zu Konflikten im südwestdeutschen Raum (15.-18. Jahrhundert), Konstanz 1999.

[75] Alle drei großen Hexenverfolgungen fallen in die frühe Neuzeit fallen, obgleich das Hexenmuster schon weit früher verfügbar war. Der Malleus maleficorum (Hexenhammer) der Dominikaner Heinrich Institoris und Jakob Sprenger datiert vom Jahre 1486 (hier zit. nach der Ausgabe Berlin 1906). Und in die frühe Neuzeit hinein fällt auch die Cautio Criminalis Friedrich von Spees (1631), also die Registratur des Geschehens. Siehe dazu Battafarano, I.M., Hexenwahn und Dämonopathie in der frühen Neuzeit am Beispiel von Spees Cautio Criminalis, in: Hahn, A./Kapp, V. (Hrsg.), Selbstthematisierung und Selbstzeugnis: Bekenntnis und Geständnis, Frankfurt 1987, S.110-123.

[76] Vgl. zum horror plenitudinis als Ausdruck der Kommunikationskrise im Übergang zur funktionalen Differenzierung (insbesondere Frühromantik) Frühwald, W., Die Idee kultureller Nationenbildung und die Entstehung der Literatursprache in Deutschland, in: Dann, O. (Hrsg.), Nationalismus in vorindustrieller Zeit, München 1986, S.129-141, hier S.130ff.

[77] Siehe zum romantischen Fragmentarismus Neumann, G., Ideenparadiese, Untersuchungen zur Aphoristik von Lichtenberg, Novalis, Friedrich Schlegel und Goethe, München 1976; Mennemeier, F., Fragment und Ironie beim jungen Friedrich Schlegel, Versuch der Konstruktion einer nicht geschriebenen Theorie, in: Peter, K. (Hrsg.), Romantikforschung seit 1945, Königstein/Ts. 1980, S.229-250. Siehe zum Fragment als ästhetischen Leitbegriff der Moderne Ostermann, E., Der Begriff des Fragments als Leitmetapher der ästhetischen Moderne, in: Behler, E. et al. (Hrsg.), Athenäum, Jahrbuch für Romantik, Jg.1. 1991, Paderborn - Wien - München - Zürich 1991, S.189-205. Vgl. aus eher soziologischer Perspektive Fuchs, P., Die Form romantischer Kommunikation, in: Ernst Behler et.al. (Hrsg.), Athenäum, Jahrbuch für Romantik, Jg.3, Paderborn, München, Wien, Zürich 1993, S.199-222.

[78] Vgl. dazu die Studie über Psychoanalyse in Luhmann, N./Fuchs, P., Reden und Schweigen, Frankfurt a.M.1989.

[79] „Die Maschine, die Maschine des Unbewußten kann sich nicht selbst zählen ... „ formuliert, bezogen auf Lacans Einsichten, Bitsch, a.a.O., S.16.

[80] Dolar, a.a.O., S.45f.

[81] Daß Lacan darüber hinausgegangen ist, haben wir erwähnt.